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Auswirkungen der Zweitwohnungsinitiative

01.06.2023 Adrian A.F. Spiess MSc Economics Volkswirtschafter beim HEV Schweiz

Das Zweitwohnungsgesetz sollte den betroffenen Gemeinden möglichst viel Entwicklungsspielraum lassen und energetische Sanierungen nicht behindern.

Am 11. März 2012 fand die Abstimmung über die Zweitwohnungsinitiative statt. Die Vorlage wurde mit 50,6 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Sie verlangt, den Anteil an Zweitwohnungen in den Gemeinden zu begrenzen, um die Zersiedelung zu bremsen. Das Zweitwohnungsgesetz regelt die Zulässigkeit des Baus neuer Wohnungen sowie der baulichen und nutzungsmässigen Änderung bestehender Wohnungen in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent. Wohnungen, die am 11. März 2012 rechtmässig bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, gelten als altrechtliche Wohnungen und sind in der Art der Wohnnutzung frei. 

Im Mai 2023 wurde der neueste Monitoring-Bericht des Bundes über die Auswirkungen des Zweitwohnungsgesetzes veröffentlicht. Hauptziele des Monitorings sind, die Effekte des Zweitwohnungsgesetzes besser zu verstehen, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Wirkungseffekte über die Zeit darzustellen. Ziel dieses Artikels ist es nicht, den gesamten Bericht zusammenzufassen, sondern für den HEV Schweiz relevante Themen zu beleuchten. Der vollständige Bericht ist öffentlich und auf dem Internetauftritt des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) einsehbar.

Erfassung der Zweitwohnungen

Wohnungen, die seit mehr als zwei Jahren leer stehen, zählen gemäss dem Zweitwohnungsgesetz nicht mehr als Erstwohnungen, sondern als Zweitwohnungen. Aus Sicht des HEV Schweiz ist diese Regelung kontraproduktiv. Solche Leerwohnungen können nicht immer innert zwei Jahren verkauft oder vermietet werden. Dafür gibt es vielfältige Gründe, zum Beispiel einen Streit in der Erbengemeinschaft, fehlende finanzielle Mittel für eine Sanierung oder der Umstand, dass sich das Objekt schwer verkaufen lässt. Dies hat insbesondere für Gemeinden, deren Zweitwohnungsanteil um die 20 Prozent beträgt, weitreichende Konsequenzen. Aufgrund dieser Leerwohnungen können keine Zweitwohnungen mehr gebaut werden, obwohl Erstere nicht als Zweitwohnungen genutzt werden. Und wo keine Zweitwohnungen mehr gebaut werden dürfen, werden altrechtliche Wohnungen zu Zweitwohnungen umgenutzt.

Wie im Bericht beschrieben, finden in der Tat vermehrt Umnutzungen von altrechtlichen Wohnungen zu Zweitwohnungen statt. Dies entspricht durchaus der Marktlogik, denn durch die Veräusserung einer als Zweitwohnung nutzbaren Wohnung winken hohe Kapitalgewinne. Gemäss einer Hochrechnung der Autoren des Monitoring-Berichts sind zwischen 2016 und 2021 schweizweit insgesamt rund 3000 bis 5000 altrechtliche Wohnungen umgenutzt worden.

Auswirkungen auf die Bevölkerung

Die Bevölkerung ist in den Jahren 2013 bis 2020 in den Gemeinden mit Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent weniger stark gewachsen als in den Gemeinden mit einem tieferen Anteil. Grundsätzlich gilt: je höher der Zweitwohnungsanteil, desto höher die Immobilienpreise. Die Standortattraktivität spielt hier sicherlich eine wichtige Rolle. Diese marktübliche Dynamik wird durch das Zweitwohnungsgesetz verstärkt, das den Druck auf altrechtliche Erstwohnungen erhöht, deren Umnutzung oft die einzige Option für Kaufwillige darstellt. Bezahlbarer Wohnraum für die einheimische Bevölkerung verschwindet oder wird auf Neubauten ausserhalb des Dorfkerns verlagert.

Das Thema bezahlbarer Wohnraum für die einheimische Bevölkerung ist gemäss dem Monitoring-Bericht in fast allen Gemeinden sehr aktuell – insbesondere jedoch in den touristischen Hotspot-Gemeinden mit stark dynamischem Zweitwohnungsmarkt. Selbst in Gemeinden, die über Reglemente zur Sicherung oder Schaffung von Erstwohnungen verfügen, finden Wohnungssuchende kaum mehr bezahlbare Wohnungen.

Die Umnutzung von altrechtlichen Wohnungen führt zu Verdrängungseffekten und verstärkt die teilweise schon bestehenden Abwanderungstendenzen. In Kombination mit dem Raumplanungsgesetz, das bei rückläufiger Bevölkerungsprognose eine Reduktion der Bauzonen fordert, steht weniger Bauland für Erstwohnungen zur Verfügung. Solche Auszonungen müssen kritisch hinterfragt werden.

An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass die Gründe für den Verkauf einer altrechtlichen Wohnung sehr divers sind. Erbengemeinschaften, die nicht mehr vor Ort leben und nach dem Tod der Eltern eine altrechtliche Wohnung erben, veräussern diese, um das Erbe aufzuteilen. Ortsansässige, die alters- oder mobilitätsbedingt nicht mehr in einer peripher gelegenen Wohnung leben möchten oder können, verkaufen ihr Wohneigentum und ziehen in die Stadt. Oder Personen, die in einer renovationsbedürftigen altrechtlichen Wohnung leben, verkaufen das Objekt, da sie entsprechenden Baukosten nicht tragen können. 

Zweitwohnungen sanieren

Viele Gebäude in den vom Zweitwohnungsgesetz betroffenen Regionen haben eine veraltete und energieverschlingende Infrastruktur. Wohn- und Grundeigentümer, die ihre Zweitwohnungen gerne auf den aktuellen Stand der Haustechnik sanieren würden, sehen sich durch das Zweitwohnungsgesetz eingeschränkt und verzichten auf energetische Sanierungen. Zum Beispiel ist die Schaffung neuer Wohnungen zur Finanzierung des Umbaus nicht zulässig (auch nicht bei gleichbleibender Wohnfläche), das Zusammenlegen von Wohnungen hingegen schon. So werden die Altbauten ihrem Schicksal überlassen und verfallen mit der Zeit. Aus ökonomischer und ökologischer Sicht ist es zielführend, jenen, die ihr Wohneigentum sanieren und damit einen Beitrag zur Reduzierung umweltschädlicher Emissionen leisten wollen, dies auch zu erlauben und zu fördern – auch im Rahmen eines Abbruchs und Wiederaufbaus von Zweitwohnungen. Das Gesetz sollte gezielt Anreize setzen und den lokalen Behörden mehr Gestaltungsmöglichkeiten einräumen.

Der HEV Schweiz setzt sich für ein Zweitwohnungsgesetz ein, das die Eigentumsrechte respektiert, den Besitzstand der betroffenen Bevölkerung wahrt und den betroffenen Gemeinden möglichst viel Entwicklungsspielraum belässt.