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Alle meine Blättchen – vermehren für Anfänger

15.02.2024 Ruth Schläppi, Journalistin, Magazin Schweizer Garten

Das Brutblatt gehört zu den anspruchslosen Zimmerpflanzen. Und: Es begeistert durch seine Selbstständigkeit bei der Vermehrung.

In seinem Ursprungsland Madagaskar zeigt sich das Brutblatt (Bryophyllum daigremontiana) überlebensstark: Während der regenarmen Monate kommt die Pflanze ohne Wasser aus. Dies dank ihrer Speicherblätter, die zusätzlich mit einer Wachsschicht überzogen sind. Beginnt dann die Regenzeit, reagiert die Wunderpflanze umgehend und bildet unzählige Kindel – also Ableger – an ihren gezahnten Blatträndern. Die dort befindlichen Brutknospen treiben aus und wachsen zu winzigen Miniatur- Pflänzchen heran. Innerhalb weniger Wochen entstehen so scharenweise Jungpflanzen, an welchen 5 bis 8 mm lange Wurzeln sichtbar werden. Ist er ausgereift, fällt der Nachwuchs einfach zu Boden: Zu Füssen der Mutterpflanze finden die Kindel Nahrung, um anzuwurzeln und sich künftig eigenständig zu versorgen.

Von Generation zu Generation

Die Fähigkeit, sich vegetativ selbst zu vermehren, kommt uns zugute: So soll bereits Johann Wolfgang von Goethe 18 weitere Generationen aus seinem ersten Brutblatt gezogen haben. Doch die Begeisterung für dieses Bryophyllum – früher gehörte es zur Gattung der Kalanchoe – bezieht sich nicht nur auf die Kindel. Auch in puncto Standort ist das Dickblattgewächs einfach zu halten: im Sommer am liebsten draussen im Halbschatten, im Winter drinnen, hell, aber ohne direkte Sonneneinstrahlung. Im Gegensatz zu vielen Zimmerpflanzen tropischer Herkunft gedeiht das Brutblatt bestens bei niedriger Luftfeuchtigkeit. Das Substrat darf zwischendurch abtrocknen. Die Pflanze zeigt durch schlapp wirkende, spannungslose Blätter an, wenn sie dringend Wasser benötigt.

Ruhezeit im Winter

An einem nicht allzu warmen Standort bei 15 bis 19 ºC fährt die Pflanze ihren Stoffwechsel herunter. Nun kann es zur Blüte kommen, zu hängenden, weitgehend geschlossenen Einzelblüten in Violett-Grün. Die Kindel werden jetzt, etwa mithilfe eines Teelöffels, ausgegraben und neu eingetopft. Dazu einen kleinen Topf mit Kakteenerde oder einem Blumenerde-Sandgemisch füllen. Mit dem Finger ein Loch ins Substrat bohren und das junge Brutblatt sorgfältig mit den Wurzeln ins Pflanzloch einfügen. Danach den Wurzelbereich andrücken. Den Topf der Mutterpflanze ebenfalls mit frischem Substrat auffüllen. Bei mehreren Jungpflanzen den Vorgang wiederholen und den frisch angesetzten Topf wässern. Die kleinen Pflänzchen bewurzeln innerhalb von wenigen Wochen – in dieser Zeit sollte das Substrat nie austrocknen. Schon nach einigen Monaten ist der Nachwuchs so weit, selber Kindel anzusetzen. Werden diese jedoch abgenommen, bleibt die Wuchskraft der Mutterpflanze besser erhalten.

Starke Hormone

Bedingt durch ihr Ursprungsland Madagaskar betreibt die Pflanze ihren Stoffwechsel während der Nacht: In den kühlen Nachtstunden sammelt sie Kohlendioxid und speichert dieses in Form von Apfelsäure. Tagsüber setzt dann die Pflanze das Kohlendioxid wieder frei, um damit ihre Photosynthese durchzuführen. Diese spezielle Art von tageszyklischen Schwankungen des pH-Werts im Zellsaft nennt sich  «diurnaler Säure-Rhythmus» und findet sich bei den meisten Kakteenarten. Die enthaltene Säure, das Daigremonianin, galt in Madagaskar als Heilmittel. In geringer Dosis wurde das giftige Steroid bei Unfruchtbarkeit oder bei zu früh einsetzenden Wehen verwendet.